Transfer in den Bereichen Kunst und Gestaltung


Ab 2019 wird erneut in nicht unbeträchtlichem Umfang seitens des Bundes und der Länder in die Exzellenz der Forschung investiert: jährlich 533 Millionen Euro für das Programm "Exzellenzstrategie", und insgesamt 550 Millionen Euro für das Programm "Innovative Hochschule". Das ist ganz ohne Zweifel nachdrücklich zu begrüßen, auch wenn wir feststellen müssen, dass Elitehochschulen etwa in den USA immer noch in einer ganz anderen Liga spielen. Was aber nun soll mit dieser deutschen Exzellenz- und Innovationsmilliarde geschehen? Was wird hier unter Forschung, unter Innovation verstanden? An wen richtet sich die Ausschreibung? Welchen Platz hätten hier die Kunst, das Design, die gestalterischen Disziplinen überhaupt?

Die übliche Forschungsförderung geht ja an den Belangen von Kunst und Gestaltung weitgehend vorbei, wenn wir einmal absehen von der Kunstwissenschaft, der Musikwissenschaft und verwandten Formaten, die in den Sektor der Wissenschaft, in der Regel der Geisteswissenschaften, fallen. Die Folge davon ist, dass das Auftragsgeschehen für die künstlerische Arbeit, für Musiker, Maler, Designer, Filmemacher, Medienkünstler, Architekten, also die gesamte Fraktion der sogenannten "Kreativen" (ein bemerkenswerter Begriff im übrigen) weitgehend individualisiert ist und sich quasi außerhalb der Hochschule abspielt, im "eigenen" Büro, eigenen Atelier, in den Konzertsälen der Welt. Nachhaltig unterstützt wird die Kunstszene natürlich von öffentlichen und privaten Stiftungen und dem, was man die Kulturindustrie nennt, von Hollywood bis Sony.

Das ist eine alte Praxis und wir betonen, dass die Summe der kreativen Disziplinen ein Großfeld des Know-how-Transfers von Hochschulen ist. Und die Qualität dieses Transfers ist dann das Maß für den Stand der Kultur einer Gesellschaft – für den Stand des Design, der Architektur, der musikalischen Kultur usw. Meines Erachtens muss diese Tatsache für die Länder Anlass sein, auch über die Exzellenzinitiative hinaus spezielle Förderformate für den Sektor der Kunst und Gestaltung an Hochschulen aufzulegen. In diesen Zusammenhang gehört auch die jüngste Erkenntnis, dass die Kreativszene, wenn man die vielen großenteils kleinen Player zusammenzählt, einen gigantischen Wirtschaftssektor mit Konjunktur bildet. Die "Kultur- und Kreativwirtschaft", so der mittlerweile eingeführte Begriff, ist in Deutschland mit einer geschätzten Bruttowertschöpfung von fast 70 Milliarden Euro ähnlich groß wie der Automobil- oder Maschinenbau. Wenn also Innovation und Transfer richtigerweise ein Fokus des Förderprogramms "Innovative Hochschule" ist, dann dürfte die Hauptfrage hier das Einziehen von Strukturen sein, also strategische Links des Transfers zwischen Hochschule und (Kreativ-)Wirtschaft, welche Know-how-Transfer, Start-Ups und Marketing organisieren. Es müssen aber auch diverse Barrieren zum Beispiel juristischer Art abgebaut werden.

Kein Zweifel also an der überragenden Bedeutung – kulturell und wirtschaftlich – der kreativen Disziplinen aus ihrem eigenen künstlerischen Gesetz. Ich denke aber, dass wir noch einen Schritt weiter gehen müssen. Nehmen wir das Silicon Valley, jenen unschlagbaren Beweis für die potenzielle Kraft des Transfers aus Universitäten. Es begann mit den berühmten Start-ups, Garagenfirmen wie Hewlett-Packard, Tech-Unternehmen, die heute Giganten sind. War das Design hier anfänglich nur aufgefasst als ein Extra, als Accessoire, Dekor und Aufhübschung, "Bekunstung" gewissermaßen, so hat sich diese Vorstellung spätestens mit Steve Jobs und Apple grundlegend geändert. Schon Lucius Burkhardt hatte festgestellt, dass Design unsichtbar ist und jetzt sprechen wir eben von "Design Thinking". Das heißt, die kreative Kraft des Künstlers und Designers beschränkt sich nicht mehr auf die Erfindung der Oberfläche, sondern sie gilt der Erfindung eines Produktkonzepts als Ganzem. Auf nichts anderem beruht der Erfolg des heute wertvollsten Unternehmens der Welt. Zwischen Technologie und Design respektive Kunst entsteht eine Integration, eine völlig neue Beziehung. Und so arbeiten heute auch Kunst und Architektur, nicht als Verschönerung, sondern als Erfindung.

Design Thinking als integrative Praxis ist das Modell der Zukunft. Dies aber hat weitere Konsequenzen, auch für die Hochschulen. Die Separierung, das Schubladendenken, ja die Entgegensetzung von Wissenschaft und Kunst, wäre zu überwinden. Und nicht nur im Begriff der „Kunstwissenschaft“, der ja die Möglichkeit einer solchen Verbindung schon enthält, sondern sehr viel grundlegender. Wenn die Kunst der Hort der Kreativität und Entdeckung des Unbekannten ist, ist das die Wissenschaft nicht auch? Und wenn die Kunst in Bildern denkt, tut es die Wissenschaft nicht auch? Und wenn die Wissenschaft systematisch ist, gilt das nicht auch für die Kunst? Und sehen wir nicht in den herausragenden Genies gerade diese Grenzüberschreitung, in Leonardo oder in Goethe?

Wenn man diese Bewegungen sieht, dann wird doch deutlich, dass viele Bereiche, die Wissenschaft, das Management, von der Kreativität der Kreativen profitieren könnten, zum Beispiel in Programmen der "Creative Leadership". Aber ich meine, dass etwas noch wichtigeres erkennbar wird, dass nämlich Innovation heute interdisziplinär ist, dass das Neue wohl nicht im reinen Sektor der Kunst oder dieser oder jener Wissenschaft zu Hause ist, sondern gewissermaßen im Niemandsland zwischen den tradierten Wissenschafts- oder Kunstdisziplinen lauert. Und das gilt gerade auch für den Transfer. Der sollte doch nicht einfach die Übertragung von Selbstverständlichkeiten sein, sondern Grenzüberschreitung, ein Feld für Querdenker, Innovation durch Transfer, Übertragung neuer Modelle und Denkungsarten in Felder, die so bisher nicht gedacht wurden. Im Bereich der Industrie haben wir hier schöne Fälle, zum Beispiel Internetunternehmen wie Google, welche jetzt Autos bauen, weil sie die Mobilität gänzlich ohne die Scheuklappen tradierter Autobauer neu denken können, selbstfahrend und auf der Basis von Big Data.

Das sind Lehrstücke, wenn wir über ein Exzellenzprogramm, über ein Programm "Innovative Hochschule" und dann über Kunst und Gestaltung sprechen wollen. Jede Hochschule wird hier natürlich ihren eigenen Weg finden und Sie als Hochschulräte können hier die strategischen Partner und Impulsgeber sein.