Volluniversität in der Metropolregion – von der Reform-Uni zur exzellenten Forschungsuniversität


1. Die Konzeption der Ruhr-Universität als Reform-Universität


Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Dr. Franz Meyers hielt anlässlich der Grundsteinlegung der Ruhr-Universität Bochum (RUB) im Jahr 1962 fest: "Die Gelegenheit der Gründung einer neuen Universität wäre schlecht genutzt, wenn nur eine der bestehenden Universitäten kopiert würde. Mit der Möglichkeit, zur Entlastung der bestehenden Hochschulen eine neue zu errichten, verbindet sich die Möglichkeit, Reformgedanken aufzunehmen, neuartige Konzeptionen zu versuchen und damit den sich aus dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft ergebenden Anforderungen Rechnung zu tragen."

Schon 1960 hatte der Wissenschaftsrat elastischere Strukturen der Hochschulorganisation angeregt: Statt starrer Fakultäten und Institute müsse es durchlässigere Fachbereiche, fachübergreifende Forschungszentren, Tutoriengruppen und mehr Interdisziplinarität geben. Die RUB, geplant für etwa 10.000 Studenten, sollte diese Ideen umsetzen. Bei der Eröffnung 1965 betonte Ministerpräsident Meyers: "Die bisher an Universitäten übliche Ordnungseinheit trägt in Bochum den neuen Namen 'Abteilung'. Diese Umbenennung besitzt nicht nur terminologische Bedeutung. Sie zeigt an einem kleinen Beispiel, dass an Überkommenem nicht starr festgehalten wird. Die Hochschulreform ist uns eine ernste Verpflichtung." In alledem lag die besondere Chance der RUB, moderne, reformierte Organisationsformen zu erproben, die für alle neu zu gründenden Universitäten beispielhaft werden könnten. Bereits 1974 waren die geplanten Kapazitäten mit insgesamt mehr als 20.000 Studierenden weit überschritten.

Auch wenn die Planung und der Aufbau der RUB von einer großen Euphorie getragen worden war, junge und engagierte Professoren berufen werden konnten und Bochum in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für später errichtete Hochschulen darstellte: Die mit der damaligen Konzeption der Reformuniversität verbundenen Erwartungen einer Verknüpfung unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen und fachübergreifender Kommunikation erfüllten sich nicht ganz im erhofften Umfang. Zu gering waren die Anreize und zu stark die Einbindung der Wissenschaftler in ihre eigene Scientific Community. Die Ziele wurden etwas abgeschwächt zugunsten einer "gemäßigt-reformfreudigen" Konzeption (Kulturminister Paul Mikat). Dies lag auch am Gründungsausschuss, der überwiegend aus Professoren etablierter Universitäten bestand.

Doch drei wesentliche Anliegen prägten die Ruhr-Universität von Anfang an:
a) die Ablösung der üblichen Fakultätsstruktur zugunsten der Schaffung von fächerübergreifenden Abteilungen, die interdisziplinären Austausch und Zusammenarbeit fördern sollten, b) die sichtbare Eingliederung der Ingenieurwissenschaften – diese Disziplinen waren damals eher an Technischen Hochschulen beheimatet – und c) die Ansiedlung der gesamten Universität auf einem gemeinsamen Campus, ebenfalls zur Unterstützung der Verflechtung der Wissenschaftsdisziplinen.


2. Weiterentwicklung des Grundansatzes in der Forschungsstrategie


Mittlerweile ist die 3. bis 4. Professorengeneration an der RUB tätig. Der Charakter der Interdisziplinarität hat sich gehalten. Noch heute betont das Leitbild: "Der ausgeprägte kooperative Charakter aller Mitglieder über Disziplinen- und andere Grenzen hinweg, gepaart mit einem ausgeprägten Sinn für die Erprobung von Neuem, zeichnet unsere Universität aus." Der Grundansatz wird immer wieder neu interpretiert, nicht zuletzt im Hochschulentwicklungsplan III.

Mit dem Zukunftskonzept "Forschungscampus RUB" hat die RUB in beiden Runden der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder in der dritten Förderlinie (Zukunftskonzepte) als eine von 16 deutschen Universitäten jeweils das Finale erreicht. Die RUB ist sowohl in der ersten Förderlinie (Graduiertenschulen) als auch in der zweiten Förderlinie (Exzellenzcluster) mit jeweils einem Antrag erfolgreich gewesen. Ein Grund dafür ist aus unserer Sicht die im Rahmen der übergeordneten langfristigen Entwicklungsstrategie umgesetzte Etablierung von Research Departments. Ihr Ziel ist die Etablierung international anerkannter neuer Forschungsschwerpunkte. Sie bilden die Grundlage zur Einwerbung großer Drittmittelvorhaben.

Research Departments sind als flexible Einheiten angelegt, die dabei helfen, forschungsstarke Wissenschaftler unter einem kohärenten thematischen Dach zusammenzuführen. Sie dienen als Plattformen für den Austausch untereinander, der Entwicklung neuer Verbundvorhaben in der Forschung, der weiteren internationalen Vernetzung und Weiterentwicklung der eigenen Forschung der beteiligten Wissenschaftler.

Research Departments sind nicht zuletzt flexible Strukturen, die auf Zeit angelegt sind und deren Fortbestehen von der kooperativen Leistungsfähigkeit der dort versammelten Wissenschaftler abhängig sind. Die an einem Research Department beteiligten Forscher müssen regelmäßig ihre Forschungsstärke unter Beweis stellen und neben einer übergreifenden Forschungsstrategie eine hohe Qualität in wettbewerbsfähiger Verbundforschung nachweisen. Weiterhin muss ein Research Department Konzepte zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und zur forschungsorientierten Lehre vorhalten können.

Der Erfolg des Exzellenzclusters RESOLV (Ruhr Explores Solvation Sciences), der aus dem Research Department "Interfacial Systems Chemistry" hervorgegangen ist, zeigt, dass der Ansatz funktioniert. Auch im kommenden Wettbewerb "Exzellenzstrategie" werden Research Departments Nuklei für alle Clusterinitiativen sein. Das Format hat sich bewährt – man könnte sie als nächste Stufe der Reformuniversität bezeichnen.


3. Regionale Komponenten und Transfer


2007 wurde die Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr) gegründet als Kooperation zwischen den Reformuniversitäten Universität Duisburg-Essen, Ruhr-Universität Bochum und Technischer Universität Dortmund. Zwei damit verbundene Strukturelemente sind zentral in Bezug auf Forschungsexzellenz:

  • Das Mercator Research Center Ruhr (MERCUR), 2010 gegründet, ist ein Modellfall für die Förderung von Hochschulkooperationen. Es wird finanziert durch die Mercator-Stiftung und das Land NRW und soll durch strategisch eingesetzte Anschubfinanzierung und zusätzliche Ausstattung für bedeutsame und international sichtbare Professuren die Verbundforschung anregen.
  • Der 2013 gegründete Forschungsrat der UA Ruhr mit je fünf in ihren Gebieten hochausgewiesenen Professoren soll die Identifikation und Weiterentwicklung von regionalen Profilschwerpunkten und sich entwickelnden Kompetenzfeldern ermöglichen. Die derzeitigen Profilschwerpunkte (Materials Chain und Solvatationschemie) sind geeignete Umgebungen für regionale Exzellenzclusteranträge – getragen von komplementären Kompetenzen in den jeweiligen Universitäten.


Im Bereich Transfer hat die Ruhr-Universität gemeinsam mit Bochumer Hochschulen (UniverCity Bochum) ein neues Transferkonzept unter dem Namen WorldFactory entwickelt. Es enthält folgende Bestandteile:

  • WorldFactory Entrepreneurship: In einem Gebäude in direkter Nachbarschaft zum Campus werden alle Aktivitäten zum Gründungs- beziehungsweise Entrepreneurshipbereich konzentriert: Businessplan-Wettbewerbe, curriculare und nichtcurriculare Lehrveranstaltungen zum Thema Unternehmensgründungen, Investoren-Pitches, Co-Working Spaces, Inkubatoren, Akzeleratoren, Beratungsgespräche etc.
  • WorldFactory Practice: Hier hat die Ruhr-Universität einen Fabrik- und Lagerhallenkomplex erworben. Gegenwärtig zieht hier eine komplett funktionierende Lernfabrik (Produktionstechniken, Industrie 4.0, Lean Management, etc.) ein. Ferner wird hier eine große FabLab, MakerSpaces, HackerSpaces entstehen. Mitglieder der RUB und UniverCity-Hochschulen können hier niederschwellig Produktideen realisieren, optimieren und weiterentwickeln.
  • WorldFactory Transfer: Für erfolgreiche Unternehmensgründungen und Ansiedlungen mit Affinität zu den Forschungsthemen der Bochumer Hochschulen soll auf dem ehemaligen Geländer der Opel AG in Bochum ein High-Tech Campus entstehen. Hier werden entsprechende Flächen vorgehalten und zur Verfügung gestellt, so dass auch Expansionsbedarfe befriedigt werden können.