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Hochschulkooperationen – Verständnis von Transfer und seine Bedeutung für Hochschulen


Hochschulsystem im Wandel


Die aktuellen Diskussionen um Forschung und Transfer an Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW)1 zeigen, wie sehr sich das deutsche Hochschulsystem gewandelt hat. Noch vor zehn Jahren wären diese beiden Aufgaben jeweils einem Hochschultyp zugeordnet worden. Universitäten machen Forschung, HAW sind zuständig für Transfer. Insbesondere die zunehmende Entgrenzung von angewandter und grundlagenorientierter Forschung jedoch rückt auch die Aufgaben Transfer für Universitäten und Forschung für HAW in ein neues Licht. Nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Interaktion von Wissenschaft und Wirtschaft bedürfen diese Entwicklungen "neuer Formen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von Hochschulen/Forschungseinrichtungen und Unternehmen". Und auch der Trend eines fließenden Übergangs beider Forschungsarten und vermehrt konvergierender Hochschultypen wird sich fortsetzen: Das Verschwinden von Grenzen führt dazu, dass die Zuordnung von Grundlagenforschung zu Universitäten und Transferorientierung zu HAW immer weniger trägt. So bestätigen beispielsweise auch Kennzahlen des Statistischen Bundesamtes, dass bereits heute einige HAW, gemessen sowohl an Drittmitteln insgesamt und auch an Drittmitteln je Professur, stärker aufgestellt sind als einige Universitäten.

Daneben bekommt Transfer auch vor dem Hintergrund privater Drittmittel-Akquise angesichts sinkender Grundfinanzierung der Hochschulen eine größere Bedeutung. Der Wunsch und Bedarf von Hochschulen nach mehr Kooperationen mit der Wirtschaft und das Interesse, Verantwortung gegenüber Gesellschaft zu übernehmen (zum Beispiel Bürgeruniversität), stärkt den Transfergedanken in HAW und Universitäten gleichermaßen. Sprechen wir also heute über Forschungs- und Transferstrategien von Hochschulen, dann betrifft dies gleichermaßen alle Hochschultypen, einschließlich der künstlerischen Hochschulen.


Transfer-Verständnis

Das Verständnis von Transfer ist abhängig von Institution, Disziplin und regionalem Umfeld. Ganz allgemein jedoch verstehen wir unter Transfer den beidseitigen Austausch von Wissen, Dienstleistungen, Technologien und Personen. Darunter gefasst sind alle Formen von Kooperationsbeziehungen in den Bereichen Forschung und Lehre zwischen Hochschulen und externen Partnern in Wirtschaft, Politik, Kultur und öffentlichem Sektor, wie beispielsweise gemeinsame Labore, Stiftungsprofessuren, duale Studien- und Weiterbildungsangebote, Politikberatung, Auftragsforschung, Praktika und Abschlussarbeiten, Patentanmeldungen, Ausgründungen bis hin zu Service Learning, Funktionen in Beiräten, politische Beratung usw.

Grundlage für guten Transfer und die Attraktivität für externe Partner sind vor diesem Hintergrund zum einen Forschungsprofil und Forschungsstärke, zum anderen jedoch auch Lehrprofil und -qualität. Häufig wird Transfer als zusätzliche Aufgabe zu Forschung und Lehre gesehen. Zu wenig wird danach gefragt, wie Transfer im Sinne einer partnerschaftlichen Kooperationsbeziehung mit Wirtschaft und Gesellschaft Forschung und Lehre verändern und bereichern können.


Facts & Figures

Transfer wird an den Hochschulen selten hinreichend kommuniziert, kaum systematisch entwickelt und hat keine reputationsträchtige Strahlkraft. Obwohl sich in den vergangenen Jahren in Hinblick auf Strategiefähigkeit und Erschließung neuer Forschungs- und Transferfelder viel getan hat, gibt es für die Weiterentwicklung der Forschungs- und Transferstrategien noch unausgeschöpfte Potenziale: Viele Hochschulen sind zwar sehr aktiv im Transfer, es existiert jedoch keine zentrale Übersicht und Koordination über die vielfältigen Aktivitäten und kein klares Profil in der Kooperation mit externen Partnern. Strukturen entstehen oftmals nebeneinander, ohne übergeordnete Leitlinien. Nur etwa jede vierte Hochschule verfügt explizit über eine Transferstrategie.

Auch Ergebnisse einer Stifterverband/Kienbaum-Umfrage unter Hochschulleiter bestätigen, dass es um die Strategiebildung an Hochschulen schlecht bestellt ist: Zwei Drittel der befragten Hochschulleiter geben an, dass für die Forschung Zielbildungsprozesse existieren. Aber nur die Hälfte sagt, dass die gesteckten Ziele auch erreicht werden. Auffällig schlecht ist die Lage beim Wissens- und Technologietransfer: Nur 40 Prozent der Hochschulen haben für diesen Bereich Zielbildungsprozesse etabliert und gerade einmal jede dritte Hochschule sagt von sich, dass sie ihre Ziele in diesem Gebiet erreicht.

Und während die Messung von Indikatoren im klassischen Technologietransfer bereits weitgehend etabliert ist, werden die Indikatoren zur Bewertung von Transferleistungen jenseits des klassischen Technologietransfers in den Geistes- und Sozialwissenschaften momentan noch entwickelt und diskutiert.


Lessons Learned

Im Rahmen des Transfer-Audits, einer gemeinsame Initiative des Stifterverbandes und der Heinz Nixdorf Stiftung, ist Folgendes deutlich geworden:

  • Transfer bietet die Chance zur Schärfung des Hochschulprofils, zur Steigerung der Attraktivität der Hochschule, zur Gewinnung neuer Finanzierungsquellen (zum Beispiel Weiterbildung) und zur stärkeren Akzeptanz in Region und Gesellschaft.
  • Guter Transfer benötigt ein starkes Bekenntnis der Hochschulleitung, welches sich in Mission, Strukturen, Ressourcen und Zielen widerspiegelt.
  • Das Transferverständnis ist noch größtenteils ausgerichtet auf Technologietransfer. Gemeinsame Strategien für relevante Bereiche wie Gründungen, Weiterbildung und Alumni gibt es nicht.
  • Das Potenzial eines erweiterten Transferbegriffs unter Einbindung der Geistes- und Sozialwissenschaften ist groß.
  • Transfereinheiten sind zum Teil isoliert vom Rest der Hochschule, auch bedingt durch die hohe Abhängigkeit von Projektmitteln und mangelnder Kontinuität.
  • Das akademische Qualifizierungs- und Fördersystem ist im Wesentlichen auf Forschungsmittel und Publikationen ausgerichtet.


Ausblick

Nicht zuletzt durch das Förderprogramm Innovative Hochschule, mit dem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis zu 550 Millionen Euro für die Entwicklung von Transferstrategien zur Verfügung stellt, wird das Thema in Zukunft verstärkt in den Fokus von Hochschulentwicklungsstrategien rücken. Gerade bei diesem Thema scheint eine Einbindung der Hochschulräte in die internen Hochschuldebatten naheliegend, kann doch die Herkunft und Expertise vieler Hochschulratsmitglieder einen ersten Kristallisationspunkt für die Formulierung von partnerschaftlichen Strategien und Erwartungshaltungen zwischen Hochschulen und gesellschaftlichen Institutionen bilden.