Dimensionen der Professionalisierung der Hochschulratsarbeit

Zusammenstellung der Ergebnisse zu professionellen Kompetenzen (1), Strukturen (2) und Rollenwahrnehmungen (3) der Hochschulratsarbeit aus den Gesprächskreisen des Forum Hochschulräte am 15. März 2016 durch den Stifterverband und das CHE Centrum für Hochschulentwicklung



Gesprächskreis 1: Professionelle Kompetenzen: Verschiedene Perspektiven einbeziehen


Der Gesprächskreis 1 wurde geleitet von Volker Meyer-Guckel, Stiftungsratsvorsitzender an der Leuphana Universität Lüneburg & Mitglied im Stiftungsrat der Europa-Universität Viadrina; stellvertretender Generalsekretär, Stifterverband, Berlin.

Der Kompetenzbedarf von Hochschulräten steht in starker Abhängigkeit zu dem Hochschulprofil und der Funktion des Hochschulrates, welche sich je nach Bundesland stark unterscheiden kann. Es lässt sich jedoch beobachten, dass sich die Kriterien für die Bestellung von Hochschulräten oft noch zu wenig am spezifischen Kompetenz-Bedarf der Hochschulen orientieren. Im Fokus der Auswahlprozesse stehen vielmehr Faktoren wie Wissenschaft-Wirtschaft-Mix, Gender-Gerechtigkeit oder politische Verbindungen. Formelle und informelle Faktoren, Strukturen und Prozesse haben Einfluss auf die Auswahl von Hochschulratsmitgliedern.


Welche Kompetenzen sollen Hochschulräte abdecken?

Zur Komposition eines adäquat besetzten und in sich stimmigen Kompetenzbildes im Hochschulrat muss man danach fragen, welche Spezialkenntnisse innerhalb des Hochschulrates vertreten sind oder vertreten sein sollten. Die Auswahl von Hochschulratsmitgliedern erfordert klare Vorstellungen von wahrzunehmenden Rollen und geforderten Kompetenzen der zu gewinnenden Hochschulratsmitglieder. Die Ergänzung des Portfolios durch weitere/neue Kompetenzen erfordert informelle Abstimmungsprozesse und einen Konsensprozess zwischen Hochschulleitung/Senat und Hochschulrat.

Eine Analyse anhand des Hochschulprofils vor Besetzung des Gremiums ist entscheidend für dessen Erfolg. Die Anforderungen an Kompetenzportfolios von Hochschulräten wurden im Rahmen dieses Gesprächskreises unter drei Gesichtspunkten diskutiert:

1. Rahmen-Faktoren, die bestimmen, welche Kompetenzen von Hochschulräten nötig sind: zum Beispiel Größe der Hochschule und des Hochschulrates; gesetzlicher Rahmen je Bundesland; offizielle und inoffizielle Aufgaben des Hochschulrates; Profil und Ambitionen der Hochschule.

2. Grundanforderungen an alle Hochschulratsmitglieder: Leidenschaft für Wissenschaft; Zugang zur wissenschaftlichen Themen, um auf Augenhöhe zu kommunizieren; strategisches Denken; Vernetzungs- und Beratungskompetenz; Zeit; innere Unabhängigkeit.

3. Variabler Kompetenzmix je Hochschulratsmitglied bestehend aus verschiedenen (Fach-) Kompetenzen/Eigenschaften/ Binnenrollen: zum Beispiel Führungsstärke; Internationalität; regionale Verankerung; Alumni; Finanzkompetenz; juristische Kenntnisse.

Wie kann man im Hochschulrat nicht vorhandene Kompetenzen/Fachperspektiven einbinden? Nicht alle denkbaren und wünschenswerten Kompetenzen können unmittelbar durch Hochschulratsmitglieder abgedeckt werden. Sich bei entsprechenden Diskussionen und Prozessen auch hochschulratsexterner Ressourcen zu bedienen, ist für ein breites und reflektiertes Kompetenz-Portfolio unumgänglich. Hierzu können auf der einen Seite hochschulinterne Statusgruppen (Mittelbau, Personalrat, Studierendenvertretung, Dekane, Forschungsstandorte, Zentren, et cetera) mit Sachverstand zu verschiedensten Themen herangezogen werden. Dies wird nebenbei auch als wichtige Funktion zur Wertschätzung und Anerkennung von Gruppen innerhalb der Hochschule angesehen. Auf der anderen Seite können externe Dienstleister, Berater, etc. die Kompetenzen der Hochschulratsarbeit erweitern und die Arbeit entsprechend unterstützen (zum Beispiel zu Recht, Finanzaufsicht, Wirtschaftsprüfung, Kompetenz der Ministerien, IHK), eingebunden beziehungsweise beauftragt werden. Der Zukauf von externen Kompetenzen ist je nach Aufgaben – und Fragestellung unumgänglich, erfordert jedoch auch verfügbares Budget durch den Haushalt der Hochschule.


Interessenskonflikte von externen Hochschulräten

Entscheidungsträger (zum Beispiel in der Politik, in Förderorganisationen) haben oft Doppelfunktionen, die immer wieder zu Interessenskonflikten in der Hochschulratsarbeit führen können. Dennoch sind diese kein Ausschlusskriterium per se, solche Personen auch in Hochschulräte zu bestellen. Die Besetzung des Hochschulrates kann beispielsweise anhand der Rolle desjenigen im Hochschulrat entschieden werden – ist er Vorsitzender oder Mitglied? Konsens ist, Interessenskonflikte externer Hochschulratsmitglieder sollten entscheidungsbezogen sondiert werden, denn Konflikte bestehen durchaus auch bei internen Mitgliedern des Hochschulrates. Schließlich muss die Hochschule entscheiden, ob es mehr bringt oder mehr schadet, Hochschulratsmitglieder mit starken Doppelfunktionen zu bestellen.



Gesprächskreis 2: Professionelle Strukturen: Einen formalen Rahmen vereinbaren


Der Gesprächskreis 2 wurde geleitet von Jürgen Schlegel, Vorsitzender des Hochschulrates der Ruhr-Universität Bochum.

Wie können im Hochschulrat Rollen, Regeln und Verantwortung professionell geklärt und vereinbart werden? Auf der einen Seite schaffen formale Strukturen Verfahrenssicherheit – auf der anderen Seite rauben sie den handelnden Akteuren unter Umständen jede Flexibilität. Welche Angelegenheiten sollten dauerhaft formell geregelt werden (etwa in der Grund- oder Geschäftsordnung)? Welche Angelegenheiten sollten in der Praxis eher informell und mit großen Spielräumen gestaltet werden können?

Im Workshop wurden unter anderem folgende Empfehlungen identifiziert:
  • Formale Regelungen sind dort sinnvoll, wo personenunabhängig und auf Dauer Verfahrens- und Entscheidungswege, Geschäftsprozesse oder Schnittstellen verankert werden sollen. Explizit fixierte Richtlinien geben Orientierung und schaffen Transparenz.
  • Die Geschäftsordnung sollte entscheidungsorientiert gestaltet werden und in jedem Fall die Möglichkeit einer Beschlussfassung per Telefon- oder Videokonferenz vorsehen, ebenso Entscheidungen im Umlaufverfahren. Für unaufschiebbare Angelegenheiten sollte eine Eilentscheidungs-Kompetenz des Vorsitzenden bestehen (dem Hochschulrat sollten in einem solchen Fall unmittelbar die Gründe für die besondere Dringlichkeit und die Entscheidung mitgeteilt werden).
  • Die Geschäftsstelle eines Hochschulrats befindet sich nicht selten in einer unangenehmen Position: Agiert sie losgelöst von Hochschulleitung und -verwaltung lediglich angedockt an den Hochschulratsvorsitz, drohen mangels Einbindung in innerhochschulische Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse Informationsdefizite. Agiert die Geschäftsstelle jedoch in enger Koppelung an die Hochschulleitung (etwa wenn der Leiter der Geschäftsstelle in Personalunion auch als Referent des Kanzlers oder Rektors fungiert), kommen zum Beispiel bei Hochschulleitungswahlen unter Umständen Loyalitätskonflikte zum Tragen. Hier sollten für mögliche Konfliktszenarien eindeutige Verfahrensweisen beschrieben werden.

Wo formelle, dauerhafte Regelungen den Spielraum unnötig einengen würden, eine völlig ungeregelte Praxis jedoch auch nicht sinnvoll erscheint, empfiehlt sich die Etablierung einer guten Praxis. Hier einige Beispiele:
  • Zwischen Hochschulleitung und Hochschulratsvorsitz sollte ein regelmäßiger Austausch vereinbart werden, etwa in Form nicht anlassbezogener Telefonate. Ebenso sollte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hochschulrat und Senat gepflegt werden, da der Hochschulrat bei einer Konzentration auf die Hochschulleitung die Hochschule nicht in ihrer Vielfalt wahrnimmt. Es empfiehlt sich, zwischen Hochschulratsvorsitzenden und Senatsvorsitzenden eine gegenseitige Teilnahmemöglichkeit im jeweils anderen Gremium zu vereinbaren. Daneben sollte zyklisch Treffen mit den Statusgruppen und Fakultäten eingeplant werden.
  • Damit solche perspektiverweiternden Gespräche nicht hinter dem Rücken der Hochschulleitung stattfinden, empfiehlt es sich, dieser (und den übrigen Mitgliedern des Hochschulrats) in aller Kürze zu berichten, dass entsprechende Begegnungen stattgefunden haben. Eine detaillierte Angabe der Gesprächsinhalte ist weder nötig noch sinnvoll. Auch ein formelles Protokoll würde gegebenenfalls den eher informellen Charakter solcher Begegnungen konterkarieren und gefährden – in der Regel genügen persönliche Gesprächsnotizen, um relevante Inhalte und Erkenntnisse in späteren Hochschulratssitzungen aufgreifen zu können.
  • Innerhalb des Hochschulrates ist es durchaus sinnvoll, einzelnen Mitgliedern bestimmte Rollen oder Aufgaben (etwa Hauptverantwortung für bestimmte Themen und Beziehungen oder Zuständigkeit für einen bestimmten Ausschuss) zuzuweisen. Entsprechende Vereinbarungen sollten personenbezogen im Protokoll festgehalten, aber nicht unflexibel durch allgemeingültige Regeln fixiert werden.



Gesprächskreis 3: Professionelle Rollenwahrnehmung: Die eigene Arbeit reflektieren und effektiv gestalten


Der Gesprächskreis 3 wurde geleitet von Lothar Zechlin, stellvertretender Vorsitzender des Hochschulrates Justus-Liebig-Universität Gießen.

Der Gesprächskreis hat unterschiedliche Formen der Rollenwahrnehmung thematisiert. Dabei wurde die Rollenwahrnehmung als ein Prozess der Bewusstwerdung und der Emanzipation von den gesetzlich vorgegebenen Aufgaben beschrieben. Dies lässt sich als Gegensatz zwischen Formalität und Informalität fassen: Den formalen Rahmen bilden die Gesetze und Ordnungen mit den vorgegebenen Kompetenzen des Hochschulrates. Der Bereich der Informalität umfasst die Spielräume des Hochschulrates. Diese Spielräume werden mit Fragen ausgelotet wie beispielsweise "Wie entscheidet der Rat?" und "Wie berät der Rat die Hochschule?". Die bewusste Ausgestaltung der informellen Räume ist ein Prozess des Role-Taking.

Voraussetzung für eine gestaltende Rolle ist Informiertheit. Dazu können unterschiedliche Maßnahmen beitragen: Hochschulratsvorsitzende nehmen entweder an Senatssitzungen teil oder treffen sich regelmäßig mit dem Vorsitzenden des Senats. Hochschulräte sollten darüber hinaus auch das Gespräch mit weiteren Hochschulmitgliedern suchen, mit Studierenden, Dekanen oder Nachwuchswissenschaftlern. Ein geeignetes Instrument zur Informationsgewinnung sind auch regelmäßige Begehungen der Fakultäten.

Für eine gestaltende Rolle ist es wichtig, mindestens zu Beginn einer neuen Hochschulratsperiode die Aufgabenwahrnehmung des Rates zu reflektieren und Schwerpunkte der Hochschulratsarbeit festzulegen. Die einzelnen Hochschulratsmitglieder sollen sich bei diesen gewählten Schwerpunkten mit ihren jeweiligen spezifischen Kenntnissen und Expertisen einbringen. Einer Fragmentierung der Hochschulratsarbeit sollte insoweit Einhalt geboten werden, dass nicht jedes Mitglied eine eigene Agenda und eigene Interessen verfolgt, sondern dass der Hochschulrat als Ganzes die gewählte Schwerpunktsetzung trägt.

Für die gestalterische Rolle des Hochschulrates gibt es aber auch Grenzen. Der Hochschulrat sollte nicht in das operative Geschäft einer Hochschule eingreifen. Der Hochschulrat sollte langfristig und wiederkehrend seine Agenda bearbeiten, anstatt zu versuchen, in jeder Sitzung neue Themen in die Hochschule einzuspielen. Die Sammlung von Informationen in der Hochschule findet dort seine Grenze, wo das Vertrauensverhältnis zum Präsidenten/Rektor gefährdet wird. Die Hochschulleitung ist für die Darstellung der Hochschule nach außen verantwortlich; der Hochschulrat nimmt in der Regel nicht öffentlich Stellung.