Aufgaben und Möglichkeiten von Hochschulräten in der Begleitung der Internationalisierungsstrategie

Strategieoptionen der Internationalisierung


Sprachkurse, englischsprachige Vorlesungen, verpflichtendes Auslandssemester, Summer school für internationale Studierende, internationale Forschungskooperationen, Doppelabschlüsse mit ausländischen Hochschulen, Auslandsdependancen, Career Service mit internationalem Fokus, gezielte Rekrutierung ausländischer Doktoranden, Vermittlung interkultureller Kompetenzen … Hinter dem Stichwort "Internationalisierung" können sich ganz unterschiedliche Schwerpunktsetzungen verstecken.

Die Möglichkeiten für entsprechende Maßnahmen sind vielfältig – Hochschulen können unmöglich alles gleichzeitig umsetzen. Und: Nicht jede Hochschule muss alle Optionen ausschöpfen. Was „Internationalisierung“ letztlich bedeutet, lässt sich nicht allgemeingültig, noch nicht einmal bundesweit oder bezogen auf einen Hochschultyp bestimmen. Es muss hochschulspezifisch definiert werden – ausgehend von der Ausrichtung und dem strategischen Profil einer Hochschule. Es macht einen Unterschied, ob eine Fachhochschule mit starken regionalen Verknüpfungen ihre Absolventen für eine globalisierte Arbeitswelt fit machen will, eine business school ihre im Kern internationale Ausbildung als wichtigstes Profilmerkmal betrachtet, eine Musikhochschule mit prägendem Anteil ausländischer Studierender ihre Situation reflektiert oder eine forschungsstarke Universität mit weltweiten Kooperationen über die nächsten Dependancen nachdenkt.

Unterschiedliche Internationalisierungsansätze müssen hochschulspezifisch daraufhin untersucht werden, ob und wie sie die Hochschule in ihrer weiteren Entwicklung unterstützen können – in ihrer Ausgangssituation, mit ihrer spezifischen Positionierung und mit Blick auf ihre Ziele.


Prioritätensetzung ist unumgänglich


Es stellt sich die Frage: Wie kann eine Hochschule konkret aus der Bandbreite der Möglichkeiten die richtigen (zielorientierten) Prioritäten setzen? Wenn es entscheidend ist, einem am Profil orientierten eigenen Weg zu finden, ist es hilfreich, zunächst einmal grob mögliche Positionierungen zwischen verschiedenen Polen zu reflektieren. Auf einer Art "Equalizer" lassen sich wesentliche Dimensionen abbilden; erste Umrisse eines Strategieprofiles ergeben sich dann, wie im folgenden fiktiven Beispiel demonstriert, indem man den Regler auf eine Position zwischen den Polen zieht.

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Selbstverständlich ist dieser Ansatz noch vereinfacht – aber als Einstieg kann es durchaus sinnvoll sein, zunächst einmal zugespitzt und reduziert entscheidende Rahmenbedingungen zu konstatieren:

  • Bedeutung des Themas für die Hochschule: Handelt es sich bei der Internationalisierung um die Erfüllung von Mindestanforderungen, die für jede Hochschule gelten sollten, oder um ein zentrales und profilbildendes Hauptthema der Hochschule, das besonders herausgehoben wird? Natürlich ist davon auszugehen, dass ein gewisses Mindestmaß an Internationalisierung gesichert sein muss, da sonst die akademische Qualität leidet, aber trotzdem hat das Thema bei verschiedenen Hochschulen durchaus unterschiedliche Priorität. Die Bedeutung des Themas hängt zum Beispiel ab von der Lage der Hochschule (grenznah?), der bereits existierenden Vernetzung, dem eigenen Anspruch (weltweiter Wirkungsradius?) – und nicht zuletzt ist sie auch abhängig von einer möglichen fachlichen Schwerpunktsetzung der Hochschule.
  • Fokus: Strebt die Hochschule eher eine breite und auf operativer Ebene offen gestaltbare Internationalisierung an (das heißt lässt sie ihre Angehörigen einfach machen und eine Vielfalt an Ideen und Ausrichtungen zu) oder wird eine eher fokussierte und zielgerichtete Umsetzung als angemessen angesehen? Das wird insbesondere davon abhängen, ob – aufgrund bereits existierender Verbindungen oder absehbarer Potenziale und Chancen – bestimmte Regionen oder Partner im Vordergrund stehen beziehungsweise ein besonderer Schwerpunkt auf bestimmte Zielgruppen gelegt werden soll.
  • Schwerpunkt: Welche Aufgabenbereiche stehen bei der Internationalisierung im Zentrum: Soll sie eher im Aufgabenbereich der Forschung oder dem der Lehre greifen? Oder sollen beide Bereiche gleichberechtigt nebeneinander stehen? Geht es bei der Mobilität eher um Studierende oder eher die Wissenschaftler?
  • Ansatz: Nicht zuletzt muss eine Hochschule die Entscheidung treffen, ob Internationalisierung eher über eine Förderung der Mobilität oder eher über internationalisation at home (also über die Vermittlung internationaler und interkultureller Kompetenzen (auch) für Studierende, die während ihres Studiums keinen Auslandsaufenthalt absolvieren) erfolgen soll.
  • Richtung: Wenn Mobilität das Mittel der Wahl sein soll, ist die Richtung zu spezifizieren: Geht es eher um incoming oder um outgoing? Werden beide Richtungen gleichrangig nebeneinander verfolgt? Sprich: Steht eher die Auslandserfahrung für hiesige Studierende/Wissenschaftler im Vordergrund, eher die Aufnahme ausländischer Studierender/Wissenschaftler oder der gegenseitige Austausch?

Eine Verortung innerhalb dieser groben Grundstruktur ermöglicht eine erste Positionierung im Feld der Möglichkeiten.


Aufgaben und Möglichkeiten von Hochschulräten


Die Frage, welcher Internationalisierungsansatz die institutionelle Gesamtstrategie und Profilierung am besten unterstützt, wird immer die zentrale Fragestellung bei der Definition einer Internationalisierungsstrategie sein – und auf der strategischen Ebene setzt die Aufgabe des Hochschulrats an.

An welchen Stellen und wie können Hochschulräte – auch und gerade durch die richtigen Fragen – entsprechende Prozesse unterstützen und anregen? Welche Aufgaben und Möglichkeiten haben sie dabei? Strategische Beratung stellt – unabhängig von der Ausgestaltung der einzelnen Landeshochschulgesetze – einen wesentlichen Tätigkeitsschwerpunkt von Hochschulräten dar. Die Internationalisierungsstrategie bildet natürlich einen bedeutsamen Teilbereich der Hochschulstrategie. Hochschulräte sind entsprechend auch hier als critical friend gefragt, als Impuls- und Feedbackgeber, der nach einer entsprechenden Strategie, ihrer Umsetzung und ihren Ergebnissen fragt und die Strategieorientierung unterstützt.

Wie kann ein Hochschulrat einen Strategiebildungsprozess begleiten oder – falls nötig – überhaupt erst einmal anstoßen? Es gibt ja grundsätzlich zwei Fälle als Möglichkeit: Entweder ein Hochschulrat fordert die Hochschulleitung auf, eine Internationalisierungs-Strategie und Positionierung zu entwickeln oder – das wird dann doch der wahrscheinlichere Fall sein – die Hochschulleitung legt eine Strategie vor und der Hochschulrat ist aufgerufen, Rückmeldung dazu zu geben und diese gegebenenfalls zu beschließen.

Wie erkennt ein Hochschulrat denn nun eine gute Internationalisierungsstrategie? Wie erkennt er, ob eine Hochschule eine adäquate und zum Profil passende Internationalisierungsstrategie verfolgt – und ob sie damit Erfolg hat? Welche Fragen muss ein Hochschulrat stellen, um die Strategiefindung der Hochschule angemessen begleiten zu können? Wie kann ein Hochschulrat entsprechende Prozesse sinnvoll und rollenadäquat begleiten? Worauf muss er achten?

Im Folgenden sind Kernfragen gelistet, die ein Hochschulrat einspeisen könnte. In verschiedenen Phasen (hier angelehnt an den Demingkreis) treten dabei unterschiedliche Aufgaben in den Vordergrund.


In der "Plan"-Phase ist es die Rolle des Hochschulrats, die Strategiedefinition durch die „richtigen“ Fragen kritisch zu begleiten. Der entscheidende Punkt ist und bleibt die Verknüpfung des Internationalisierungsansatzes mit dem institutionellen Profil: Ist die Gesamtsituation und Gesamtstrategie hinreichend mit der Internationalisierungsstrategie gekoppelt? Es gibt wie dargestellt verschiedene Möglichkeiten, Internationalisierung umzusetzen – passt die gewählte Zielrichtung zum Hochschulprofil? Ist sie stimmig mit der Forschungsstrategie (Stärken) und der thematischen Fokussierung? Ergibt sich insgesamt eine klare Linie? Gelingt es, Internationalität profilschärfend zu fokussieren?

Neben der oben skizzierten Klärung des Internationalisierungs-Profils durch die Equalizer-Dimensionen sind für den Hochschulrat vor allem folgende Fragestellungen relevant:
  • Ist die Motivation geklärt? (Warum machen wir was? Wie lauten die übergeordneten Ziele; sind sie eher akademischer, politischer, kultureller oder ökonomischer Natur?)
  • Steckt ein systematischer Strategieprozess dahinter? (Hat sich eine Einzelperson im International Office die Internationalisierungsstrategie alleine ausgedacht oder wurde eine Stärken-Schwächen-Analyse durchgeführt? Wurden die relevanten Akteure breit einbezogen?)
  • Wird eine sinnvolle Balance zwischen institutioneller Hochschul- vs. dezentraler Fachbereichsstrategie gewahrt? Besteht eine angemessene Balance zwischen dem Engagement der einzelnen Akteure auf dezentraler Ebene und den großen Plänen der Hochschulleitung?
  • Wie soll die Umsetzung erfolgen, gibt es einen klaren Umsetzungsplan? (Wie wird die Strategie schriftlich explizit fixiert? Wie wird die Strategie konkretisiert und operationalisiert? Existieren klare (qualitative und quantitative) Ziele? Ist der Maßnahmenkatalog hinreichend zielgerichtet und adäquat?)
  • Welche Rolle sollen nichtwissenschaftliche Mitarbeiter spielen, zum Beispiel in der Verwaltung?
  • Benchmarks: Werden internationale Standards beachtet?
  • Wird der nichtakademische Service-Bereich angemessen berücksichtigt? (zum Beispiel die Wohnheim-Frage bei incoming students).
  • Ist/wird die interne Organisation/Struktur adäquat gestaltet? Wird Internationalisierung ausreichend und adäquat institutionalisiert? (Wird etwa das International Relations Office hinreichend ausgestattet? Wird im Präsidium die Verantwortung für Internationale Angelegenheiten personalisiert zugewiesen? Findet das Thema Internationalisierung angemessene Berücksichtigung in Zielvereinbarungen und in der internen Mittelvergabe?)


In der "Do"-Phase liegt die Umsetzung der gewählten Internationalisierungsstrategie in Händen der Hochschule. Der Hochschulrat sollte strikt darauf achten, sich nicht ins operative Geschäft einzumischen. In dieser Phase hat er keine Aufgabe! Der Hochschulrat liefert in erster Linie Anregungen als Begleiter auf strategischer Ebene – und um die geht es in dieser Phase nicht. Wenn überhaupt, sollte der Hochschulrat sicherstellen, dass ein vernünftiges Berichtssystem installiert wird – es sollte jeweils für den gewählten Umsetzungsweg relevante Indikatoren wie etwa internationale Studierende, internationale Publikationen etc. berücksichtigen. Auf Anfrage sollte der Hochschulrat für Unterstützung im Einzelnen zur Verfügung stehen (zum Beispiel mit internationalen Beziehungen seiner Mitglieder), auf keinen Fall aber sollte er ad hoc-Interventionen betreiben.

In der "Check"-/"Act"-Phase stehen das Monitoring und die Qualitätssicherung im Zentrum. Hier kommt der Hochschulrat wieder stärker ins Spiel. Seine Rolle und Aufgabe ist es in dieser Phase, die Erfolgskontrolle zu begleiten und wiederum wohlwollend-kritische Nachfragen zu stellen. Er sollte darauf achten, dass das Berichtssystem genutzt wird und Benchmarks zum Vergleich herangezogen werden.

Auch wenn die Strategiefunktion des Hochschulrats natürlich im Vordergrund steht, ergeben sich weitergedacht gegebenenfalls Bezüge zu weiteren Aufgaben und letztlich auch zu Fragen der personellen Besetzung: Unter Umständen ist der Hochschulrat gefordert, daran mitzuwirken, die Internationalisierungsstrategie politisch abzusichern. Vielleicht wird er auf Bitten der Hochschulleitung sogar aktiv, vorhandene Kontakte spielen zu lassen.

Je nach Bedeutung des Internationalisierungsthemas für die Hochschule ist es auch denkbar oder sogar geboten, bei der Besetzung der Hochschulleitung – an der ein Hochschulrat abhängig von der ländergesetzlichen Ausgestaltung oft unmittelbar und prägend beteiligt ist – auf eine internationale Besetzung zu achten. Diese Anforderung sollte dann aber auch auf die Besetzung des Hochschulrats angewandt werden: Die Berücksichtigung eines internationalen Vertreters im Hochschulrat kann entscheidend dazu beitragen, die Perspektive der Diskussionen zu erweitern.