Internationalisierung der
deutschen Hochschulen

Status quo und Herausforderungen



Was ist Internationalisierung?

Internationalisierung deutscher Hochschulen wird oft zu verknappt wahrgenommen. Sie bedeutet weitaus mehr, als Studierende ins Ausland zu entsenden und aus dem Ausland zu empfangen. Auch wenn dies der Kern von Internationalisierung ist und bleiben wird, geht die Aufgabe der Internationalisierung weit über einzelne Aspekte wie zum Beispiel Mobilität, Interkulturalität oder Regionalstudien hinaus. Internationalisierung ist kein Selbstzweck oder ein losgelöstes Ziel an sich. Sie bedeutet die Verbindung von lokaler beziehungsweise regionaler Verantwortung und internationaler Vernetzung. Sie bedeutet nicht, Gegebenheiten vor Ort zu vernachlässigen, sondern auch mittels der Internationalisierung der Curricula eine "Internationalisierung zu Hause" für all diejenigen zu ermöglichen, die nicht ins Ausland gehen. Internationalisierung bedeutet auch nicht die Umsetzung einzelner Aktivitäten mit festgelegtem Beginn- oder Endzeitpunkt. Vielmehr ist Internationalisierung ein umfassender, kontinuierlicher Prozess mehrerer Akteure. Die Rahmenbedingungen werden politisch gesteuert und sind auf einen wirtschaftlichen Kontext bezogen. Internationalisierung folgt globalen Trends und wird durch eine Vielzahl an Triebkräften geleitet: Hierzu gehören der globale Wettbewerb zwischen Hochschulen und Hochschulsystemen, neue Zentren im globalen Wissenschaftssystem, die nationale und internationale Ausdifferenzierung der Hochschulen, der demographische Wandel und der damit verbundene hunt for talents, die Verantwortung angesichts globaler Zukunftsfragen und Bedrohungen (Klimawandel, Energiekrise, Migration), neue Lehr- und Lernformen durch neue Medien und nicht zuletzt die Notwendigkeit, junge Menschen auf globalisierte Berufsfelder vorzubereiten.


Welche Bedeutung hat Internationalisierung für deutsche Hochschulen und wie differenziert sich diese aus?

Welche Bedeutung haben diese Trends für die Hochschulen? Internationalisierung wird zukünftig stärker in die Kernfunktionen der Hochschulen integriert werden (müssen) und sich als Aufgabe für Hochschulen weiter ausdifferenzieren, weit über die Aufgabe der Schaffung von Mobilität von Einzelpersonen hinaus. Internationalisierung an Hochschulen bedarf der Durchdringung aller Bereiche in Lehre, Forschung und Gesellschaft. Sie wird an vielen Hochschulen zum integralen Bestandteil der Entwicklungsplanung werden und weitreichenden Einfluss auf die Zukunft unserer Hochschullandschaft haben. Die Ausdifferenzierung der Internationalisierung wird die Hochschulen vor neue Aufgaben, Chancen und Herausforderungen stellen. Denn die Dimensionen, mit welchen Hochschulen dem weitreichenden Feld gegenübertreten können, sind divers: Neben der Internationalisierung als zukünftige Kernfunktion der Hochschule differenziert sich diese in Internationalisierung in Lehre und Studium, Internationalisierung der Hochschulpolitik, Regulierung und Standardsetzung, Internationalisierung von Verwaltung und Infrastruktur, Internationalisierung von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing und auch Internationalisierung von Forschung. Zusammengefasst bedeutet dies für Hochschulen, die Internationalisierung stärker in die Kernfunktionen der Hochschulen zu integrieren, indem diese zu einem strategischen Aktionsfeld erklärt wird. Hochschulen werden in diesem Kontext eigene, spezifische Internationalisierungsstrategien entwickeln und verfolgen, Internationalisierung als Profilbildungsmerkmal ausbauen, und sich hierzu mit ihren Aktivitäten auf (neue,) strategisch wichtige Partner konzentrieren.

Hochschulen in ganz Europa sind bereits heute auf diesen Feldern sehr aktiv und nehmen Internationalisierung als Teil der Hochschulstrategie besonders ernst. Dies bestätigt auch die Umfrage der Association for International Education unter Hochschuladministratorinnen und -administratoren in Europa, nach welcher 38 Prozent der Hochschulen angeben, Internationalisierungsstrategien an der Hochschule verankert zu haben. Weitere 46 Prozent geben an, dass Internationalisierung in die übergeordnete Hochschulstrategie integriert ist und zusätzliche 11 Prozent geben an, dass die Internationalisierungsstrategie in Bearbeitung ist. In der Summe sind dies 95 Prozent der befragten Hochschulen, die angeben, dass die Verankerung der Internationalisierung als Strategie der Hochschule eine bedeutende Rolle spielt. Die Motive dahinter sind divers. Am wichtigsten ist es Hochschulen, im Rahmen ihrer Internationalisierungsbestrebungen einerseits die Verbesserung der Qualität der Bildung voranzutreiben und andererseits Studierende auf den globalen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Dem folgen Ziele wie die Ausweitung der Anwerbung internationaler Studierender, die Erhöhung der weltweiten Reputation und die Verbesserung der Qualität von Forschung und Entwicklung. Weitere Motive, die jedoch den vorhergenannten nachrangig sind, sind die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die gestellten Anforderungen des Arbeitsmarktes und zuletzt die finanziellen Vorteile für die Institution, die sich aus Internationalisierungsbestrebungen ergeben.


Wo stehen die deutschen Hochschulen und mit welchen Herausforderungen sind sie konfrontiert?

Zwei Aktionsfelder sollen in den folgenden Ausführungen in den Fokus genommen werden: zum einen die internationalen Studierenden, zum anderen die Auslandsmobilität deutscher Studierender.

  • Aktionsfeld Internationale Studierende: Das DAAD-Ziel, bis zum Jahr 2020 mindestens 350.000 internationale Studierende (Bildungsin- und -ausländer) an deutschen Hochschulen zu haben, ist durchaus erreichbar. In den vergangenen Jahren stieg die Anzahl kontinuierlich und im Jahr 2015 konnten bereits 319.000 internationale Studierende verzeichnet werden. Gleichzeitig steigt die Zahl der ausländischen Studienanfänger, die sich mittelfristig in weiterhin steigenden Zahlen ausländischer Studierender niederschlagen wird. Dennoch wird es für das deutsche Hochschulsystem langfristig schwierig sein, seine Attraktivität zu halten und in dem derzeit expandieren globalen Markt mitzuhalten. Denn die Zahl international mobiler Studierender hat sich innerhalb von zwölf Jahren (2000 bis 2012) mehr als verdoppelt und neue Akteure setzen sich ehrgeizige Ziele in Bezug auf die Anwerbung internationaler Studierender. Das Ziel ist es, Deutschland weiterhin in den Top 5 Destinationen zu halten, es soll seinen Platz unter den führenden Gastländern behaupten. China, Russland und Indien sind hierbei zu den top Rekrutierungszielen zu zählen; von dort werden aktuell die meisten Studierenden nach Deutschland entsendet.

    Ein weiteres Ziel im Aktionsfeld der internationalen Studierenden ist die Steigerung ihres Studienerfolges, insbesondere im Bachelor. Bei Studienabbruchquoten von 41 Prozent haben Hochschulen hier eine besondere Aufgabe: die bessere Auswahl, Betreuung und Integration ausländischer Studierender. Bildungsausländer bestätigen, dass sie bei ihrem Studium insbesondere Schwierigkeiten haben, sich im deutschen Studiensystem zu orientieren, ihre Zimmersuche zu bestreiten, Kontakt zu deutschen Studierenden oder zur Gesellschaft insgesamt aufzunehmen und sich in der deutschen Sprache zu verständigen. Zur Steigerung der Studienerfolgsquoten müssen Hochschulen und Politik für diese Probleme Lösungen finden und auch auf anderen Feldern Fortschritte erzielen, beispielsweise bei der qualifizierten Auswahl (durch zum Beispiel TestAS) und Zulassung ausländischer Studierender, bei der Sprachvermittlung, bei einer Verbesserung des Übergangs in den deutschen Arbeitsmarkt, bei der Finanzierung des Ausländerstudiums.


  • Aktionsfeld Deutsche Studierende: Im Studienverlauf deutscher Studierender werden drei Formen studienbezogener Auslandsmobilität unterschieden: die abschlussbezogene Auslandsmobilität (degree mobility), also ein gesamtes Auslandsstudium mit Abschluss im Ausland; die temporäre studienbezogene Auslandsmobilität (credit mobility) im Rahmen eines Studiums an einer deutschen Hochschule, also ein Auslandssemester, -praktikum oder eine Studienreise sowie die sogenannte bridge mobility, die temporäre Auslandsmobilität als Brücke zwischen Bachelor- und Masterstudium, wie zum Beispiel Auslandspraktika, Sommerschulen oder Sprachkurse. Ein gesetztes DAAD-Ziel ist es, dauerhaft 50 Prozent der deutschen Absolventinnen und Absolventen mit studienbezogenen Auslandserfahrungen aus dem Studium zu entlassen. Dies ist vor dem Hintergrund der stark wachsenden Studierendenzahlen und geringen Wachstumsraten beim Ausländerstudium eine ambitionierte Herausforderung. Aktuell sammelt etwa ein Drittel aller Studierenden Auslandserfahrung. Die beliebteste Zielregion für degree mobility (80 Prozent) und credit mobility (53 Prozent) ist Westeuropa, gefolgt von Nordamerika und Asien. Um deutschen Studierenden den Auslandsaufhalt zu ermöglichen und niedrigschwellig zu gestalten, stehen Hochschulen und Politik vor der Aufgabe, die Finanzierung sicherzustellen, Mobilitätsfenster einzuräumen und Zeitverluste durch das Auslandsstudium zu kompensieren. Gründe für das Nichtzustandekommen studienbezogener Auslandsaufenthalte sind, laut deutscher Studierender, mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten (57 Prozent), eine schwierige Vereinbarkeit des Auslandsaufenthaltes mit den Vorgaben und Anforderungen des Studienganges (48 Prozent), Zeitverluste im Studium (39 Prozent), eine mangelnde Unterstützung durch die Heimathochschule (38 Prozent), die Organisation des Studienaufenthaltes (35 Prozent), Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung (31 Prozent) und Probleme der Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistungen (27 Prozent). Hochschulen stehen vor dem Hintergrund dieser Rückmeldungen der deutschen Studierenden (Jahr 2015) vor einer Reihe an Herausforderungen, die nicht zuletzt durch eine neue Ausdifferenzierung von Mobilitätsarten in den Studiengängen und die Internationalisierung zu Hause wie auch der Curricula Beantwortung finden muss.