Global Player Wanted!

Strategien zur Internationalisierung der Personalrekrutierung von Unternehmen


Frau Dr. Karl, warum ist der internationale Nachwuchs für Daimler so wichtig?

Die Frage nach dem "Warum" erschließt sich mit einem Blick auf unser Unternehmen, unser Produktportfolio und die Standorte weltweit, an denen wir forschen, entwickeln und produzieren. Jeder kennt die Marke Mercedes-Benz, doch Daimler umfasst weit mehr: Wir sind in der Automobilbranche einzigartig. Kaum ein anderer Hersteller vereint so viele Marken unter einem Dach und meldet so viele Patente an wie Daimler. Unsere Produktpalette reicht vom Kleinwagen smart bis zum Truck, von innovativen Carsharing-Angeboten bis zu umfassenden Finanzdienstleistungen. Wir sind ein Unternehmen, das rund um den Globus aktiv ist und das einen Großteil seines Umsatzes außerhalb von Deutschland erwirtschaftet. Aber nicht nur unsere Kunden sind international: Weltweit sind für Daimler etwa 280.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus rund 150 Nationen auf allen Kontinenten im Einsatz.


Welche Talente für welche Themenfelder suchen Sie?

Mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft für unser Unternehmen und für die gesamte Automobilbranche wird sofort deutlich: Hier geht es um neue Produkte mit grüner Technologie – vom Elektroantrieb bis zur Brennstoffzelle. Es geht aber auch darum, neue Märkte zu erschließen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, zum Beispiel Mobilitäts-Apps wie moovel oder Carsharing-Modelle wie car2go. Für diese Zukunftsthemen benötigen wir hochqualifizierte Menschen, die mit ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement die Weiterentwicklung des Unternehmens vorantreiben und die Vielfalt unserer Kunden, Lieferanten und Investoren widerspiegeln. Auch die allgegenwärtige Digitalisierung sämtlicher Lebensbereiche gilt es im Blick zu behalten. Um diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern, benötigen wir Teams, die verschiedene Generationen, Geschlechter und Nationalitäten zusammen bringen.


Generationen, Geschlechter und Nationalitäten – wie wichtig ist Ihnen die Internationalität im Diversity-Kontext?

Daimler ist ein Unternehmen, in dem Vielfalt gelebt wird. Unsere Erfahrungen damit sind seit Jahrzehnten positiv. Wir betrachten Diversity stets in einem ausgewogenen Mix der Handlungsfelder Gender Diversity, Generationenmanagement, Working Culture und eben Internationalisierung. Die gezielte Rekrutierung neuer Kolleginnen und Kollegen mit internationalem Hintergrund spielt hier eine entscheidende Rolle. Wir brauchen "Global Player", die wir sowohl im Inland als auch im Ausland suchen. Was die Suche hier in Deutschland angeht, sind die Voraussetzungen besser denn je: Die Zahl der ausländischen Studierenden in Deutschland hat im Jahr 2014 einen neuen Höchststand erreicht. Allerdings verbringt beispielsweise nur jeder zwanzigste angehende Ingenieur in Deutschland einen Teil seines Studiums im Ausland. Internationalisierung ist aber keine Einbahnstraße. Internationalisierung wird in beide Richtungen gedacht und gelebt. Unser Vorstandsvorsitzender, Dr. Zetsche, hat das folgendermaßen formuliert: "Ein Auslandsjahr ist kein Minus an Zeit, sondern ein Plus an Erfahrung". Oder auch: "Diese Erfahrung erweitert nicht nur die Karrierechancen, sondern vor allem den Horizont." Diese Aussagen kann ich aufgrund meiner eigenen Auslandserfahrung nur unterstreichen.


Wie suchen und vor allem finden Sie diese "Global Player"?

Wir richten unseren Arbeitgeberauftritt weltweit einheitlich aus und stärken damit unsere Arbeitgebermarke. Im Oktober 2014 haben wir unsere internationale Kampagne unter dem Leitsatz "Das sind wir" gestartet. Damit wollen wir das Interesse von Talenten wecken und die Besten für uns gewinnen. Das Leitmotiv zeigt unsere internationale Ausrichtung: "5 Kontinente. Jede Menge Platz zur persönlichen Entfaltung". Verschiedene Imageanzeigen zeigen Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt, zum Beispiel aus Argentinien, China, Deutschland, Spanien, Indien und den USA.

Mit unseren Aktivitäten sind wir dort, wo unsere Zielgruppe ist. Dabei gehen wir auch neue Wege. So haben wir erfolgreich innovative Online-Dialogformate über Messenger-Dienste eingesetzt oder bei der IAA eine Livestream-Berichterstattung durchgeführt. Eine weitere wichtige, wenn auch klassische Möglichkeit der Talentansprache, sind Messen. Aber auch hier wählen wir immer wieder neue Formate und richten uns international aus.

Unser Engagement bei der Formula Student ist ein weiterer Baustein. Bei diesem internationalen Konstruktionswettbewerb tauchen Studierende tief in die Automobilwelt ein und sammeln Erfahrungen im Bereich Konstruktion, Fertigung sowie in den begleitenden wirtschaftlichen Aspekten. Und wir haben Gelegenheit, hoch motivierte Talente kennenzulernen.

Daimler engagiert sich auch im Femtec.Network zur Förderung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik: Bei Exkursionen lernen die Teilnehmerinnen Daimler und unsere Produkte kennen und kommen mit weiblichen Vorbildern ins Gespräch. Wir begleiten die Frauen beim Einstieg durch Matchinggespräche, Bewerbungstrainings, weitere Dialogformate und individuelles Coaching.


Und Sie sprechen mit eigenen Programmen Talente in verschiedenen Phasen ihres Ausbildungs- und Berufslebens an ...

Richtig – beispielsweise während des Studiums mit Daimler Student Partnership, unserem deutschlandweiten Förderprogramm für Studierende in technischen und ausgewählten kaufmännischen Studiengängen, die einen Einstieg bei uns anstreben. Oder auch nach dem Studium mit unserem internationalen Traineeprogramm "CAReer". Dieses Programm richtet sich an hochqualifizierte Absolventen, akademische Berufseinsteiger und Bewerber mit Praxiserfahrung, die neben einer sehr guten Qualifikation gleichermaßen mit ihrer Persönlichkeit überzeugen. Während des 15- bis 18-monatigen Traineeprogramms sind Auslandsaufenthalte immer mit enthalten. Rund 40 Prozent der Teilnehmer kommen momentan von außerhalb Deutschlands – wir streben hier einen Anteil von etwa 50 Prozent an. Auch der Frauenanteil bei CAReer beträgt übrigens heute schon 40 Prozent. Das ist gut so: Denn bis 2020 soll jede fünfte Top-Management-Position bei Daimler mit einer Frau besetzt sein. Die aktuelle Integrations-Debatte um Flüchtlinge birgt vor dem Hintergrund der Internationalisierung eine weitere Zielgruppe: Viele ausländische hoch Qualifizierte mit Hochschulzugangsberechtigungen, Studienabschlüssen und Facharbeiterwissen.


Wie geht Daimler mit dieser Chance um?

Insgesamt besteht in der deutschen Industrie großes Interesse, Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeitswelt zu integrieren. Eine der vielen Ideen und Möglichkeiten ist ein mehrwöchiges "Einarbeitungspraktikum", das wir in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den Betriebsräten erarbeiten. Dabei werden neben einem praxisnahen Training in Mercedes-Benz-Werken auch Deutschkurse angeboten. Ziel ist es, mehrere Hundert Flüchtlinge für einen Arbeitsplatz in der deutschen Industrie zu qualifizieren. Das erste Pilotprojekt wird im Mercedes-Benz Werk in Stuttgart-Untertürkheim starten. Grundsätzlich gilt für uns: Wir unterstützen das 3 + 2 Modell. Dadurch sollen Flüchtlinge während der Ausbildung (3 Jahre) und nach der Ausbildung (2 Jahre) vor der Abschiebung geschützt werden. Bei Daimler sind wir davon überzeugt, dass mehr Vielfalt zu besseren Ergebnissen führt und dass wir, als globaler Konzern, verpflichtet sind, Vielfalt zu fördern und zu fordern, dazu gehört auch das Thema Internationalität.


Was können die Hochschulen darüber hinaus aus Ihrer Sicht tun, um das Ziel der Internationalisierung noch besser zu unterstützen?

Nur ein kleiner Teil der deutschen Studierenden richtet das Studium international aus. Da für Daimler natürlich die MINT-Studiengänge im Fokus stehen, haben wir zusammen mit dem Stifterverband, dem Daimler-Fonds und der Daimler und Benz Stiftung die Programminitiative "MINTernational" ins Leben gerufen. Bei diesem Wettbewerb werden diejenigen Hochschulen ausgezeichnet, die die beste Gesamtstrategie für die Internationalisierung der MINT-Disziplinen in den Mittelpunkt ihrer Hochschulentwicklung stellen. Als Jury-Mitglied von MINTernational konnte ich live erleben, mit welch innovativen Ideen Hochschulen im Hinblick auf internationale Studierende und Forschende auf sich aufmerksam machen. Aus unserer Sicht können die deutschen Hochschulen einen wichtigen Beitrag leisten, indem Sie beispielsweise aktiv um ausländische Studierende werben und sie bei ihrem Aufenthalt unterstützen – so wie es bereits vielfältig geschieht. Spezifische Einführungsveranstaltungen oder Mentorenprogramme sind ebenso wünschenswert wie der Ausbau des englischsprachigen Studienangebots. Auf Hochschulseite sind internationale Forschungskooperationen und Dozentenaustauschprogramme zwischen Hochschulen wichtig, um den Studenten eine attraktive Lehrumgebung bieten zu können. Ebenso begrüßen wir die Aktivitäten des DAAD, Studierende bei Durchführung eines Auslandssemesters unterstützen. Wenn Hochschulen und Wirtschaft in solcher Weise partnerschaftlich zusammenarbeiten, ermöglicht dies beiden Seiten, die besten internationalen Talente zu gewinnen.